In der ganzen Welt konnte man über ihn stolpern, über diesen Aufkleber mit dem markanten Schriftzug „Steiermark – das grüne Herz Österreichs“. Sattgrün und gedrungen prangte das Herz gleichberechtigt neben dem amtlichen „A“ auf österreichischen Autohecks, es landete in Gipfelbüchern der Französischen Alpen, es tauchte in griechischen Tavernen, an Laternenmasten in Lateinamerika oder auf dem Nordkapplateau auf. Das war genau in den Jahren nach 1975, als ein neues Bewusstsein von der Heimat die Popmusik mit Dialekt färbte und S.T.S. auf ihrer ersten Erfolgswelle weit über die steirischen Grenzen hinaus berühmt machte. Eigentlich sollte das Grüne Herz nur ein Logo der Tourismusbranche sein, doch mit der Emotionalität, die seine Gestaltung auslöste, landete es treffsicher und haargenau im Zeitgeist.
Schon zu Beginn des Jahrzehnts suchte die damalige Fremdenverkehrsdirektion unter ihrem engagierten Leiter Josef Gaisbacher gemeinsam mit Robert Lang als Art Direktor nach einem Zeichen, das die zentrale Botschaft der Steiermark transportieren sollte. 1972 beauftragten sie den Künstler Helmut Gross, sich so eine Botschaft zu überlegen. Dieser empfand die Steiermark als die gemütliche Ecke Österreichs, in die man sich gerne zurückzieht, um dort auszuspannen. So entwarf er zunächst den Slogan „Steiermark – das grüne Eck Österreichs“. Doch das Bild wies nicht nur auf die damals dezentrale Lage der Steiermark mit Berührungsnähe zum Eisernen Vorhang hin, sondern es war naturgemäß kantig. Zu kantig – selbst für die deutschen Kollegen und Journalisten, die man auf den Tourismusmessen traf und die sich noch an den alten Slogan „Thüringen – das grüne Herz Deutschlands“ erinnerten. Und da die Steirer ohnehin seit Jahren schon mit Lebkuchenherzen für die Steiermark warben, war der berühmte Slogan rasch geboren. Helmut Gross verpackte ihn mit kräftigem Schriftzug in ein polsterweiches Herz in Grün und schuf damit ein steirisches Symbol, auf das er sein Leben lang stolz war.
Eine gute Idee braucht Menschen, die sie in die Welt tragen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Fremdenverkehrsamt, aber auch die politischen Verantwortlichen, allen voran der von 1961 bis 1982 amtierende Landesrat für Fremdenverkehr, Franz Wegart, setzten das Grüne Herz prominent auf ihre Fahnen. Kurz nach den endgültigen Entwürfen brachte eine weitere Idee das Logo dann so richtig in Schwung: Der Aufkleber. Zu dieser Zeit war dieses Werbemedium noch recht neu. 1972 hatte das Spülmittel Pril mit seinen selbstklebenden Blumen für ein bis heute berühmtes Kultmedium gesorgt. In seiner Durchschlagskraft stand das Grüne Herz-Pickerl diesen Blumen in nichts nach, war es doch weit mehr als eine Werbebotschaft. Es stand für ein neues Selbstbewusstsein und ein offensives Bekenntnis zur steirischen Heimat. Und: Es war nicht dazu gedacht, die Fliesen der eigenen Küche zu verschönern, sondern hinaus in die Welt getragen zu werden. Diese Rechnung ging auf, weil sie zur rechten Zeit kam. Die Steiermark war nicht mehr eine Urlaubsregion, die anvisiert wurde, weil sie günstig war, sondern weil die Menschen, die hier lebten, eine Authentizität bewahrt hatten, die in vielen anderen Regionen zu verschwinden drohte. So waren es auch die Steirer selbst, die das Grüne Herz in der ganzen Welt als Symbol für eine lebenswerte Region verewigten. Und natürlich nahmen es auch die Gäste als Erinnerung an erlebte Gastfreundschaft gerne als „Memento Styriae“ für Partykeller, Spind oder Badezimmerspiegel mit.
Das Medium Aufkleber wurde begleitetet von der Anstecknadel, diesem winzigen Ausweis der Zugehörigkeit am Revers, der seinen Weg vom militärischen zum zivilen Merkmal der Anerkennung gefunden hatte. Und beide waren ein Geschenk – das eine wurde mit der Geste des weiten Schwungs zu Tausenden unter die Menschen gebracht, mit dem anderen wurden Treue, Einsatz und Verbundenheit mit dem Gestus der Ehrung verliehen. Doch die Touristiker merkten, dass das Grüne Herz noch weit mehr vermochte und setzen es ab Ende der 1970er Jahren als Zeichen der internen Bindung ein. Wer dazu gehören wollte, brauchte ein Grünes Herz. Damit sollte die Professionalität der touristischen Infrastruktur und Werbung gestärkt werden. So wurde das Grüne Herz zum Zertifikat für Qualität. Das Unterfangen gelang. Wo anfangs Enthusiasmus und Leidenschaft zur Bewerbung einer Region im Vordergrund standen, gab es seit den 1980er Jahren auch noch garantiert gute Betten, Sanitäranlagen, Freizeiteinrichtungen und einen einheitlichen Werbeauftritt. Mit dieser Professionalisierung verlor das Grüne Herz allerdings ein wenig von seinem Charme und geriet Mitte der 1980er Jahre ganz in Vergessenheit. Es sollte bis zum Beginn des neuen Jahrtausends dauern, dass es aus diesem Dornröschenschlaf wach geküsst wurde. Die neue Generation im Tourismus ließ das Grüne Herz zeitgemäß gestalten und zum zentralen Kern des gemeinsamen Markenprozesses mit den Partnern werden. Sie machte es zu einem Symbol, das nach innen stärkt und verbindet, nach außen aber die Botschaft von der steirischen Herzlichkeit trägt – und als Ergänzung zur Hauptstadt als Kopf des Landes den Pulsschlag Österreichs symbolisiert. ♥
Dr. Eva Kreissl recherchierte im Jahr 2012 anlässlich des 40. Geburtstages die Entstehungsgeschichte des Grünen Herzes. Da dieser Beitrag zeitlos ist, erlauben wir uns, diesen unverändert zu veröffentlichen.